top of page

Popcorn 21: Sinnproduktion und Selektions-strategien: Orientierung in unsicheren Zeiten

Gedankenkorn: „Ein Bergrettungsteam wird gerufen, um eine Gruppe vermisster Wanderer in den Alpen zu finden. Der Schnee bedeckt die Landschaft, die Sicht ist begrenzt, und die Bedingungen verändern sich ständig. Jeder im Team nimmt etwas anderes wahr: Fussspuren, die plötzlich vom Pfad abweichen. Ein reflektierendes Objekt tief unten im Tal. Entfernte Rufe, die vom Wind verweht werden. Statt allein zu handeln, bringt das Team seine Beobachtungen zusammen, tauscht sich aus und verknüpft die Hinweise zu einem klaren Bild: Die Wanderer könnten sich in einer geschützten Mulde unterhalb des Hauptwegs befinden. Durch diese gemeinsame Orientierung gelingt es dem Team, die Wanderer rechtzeitig zu finden und sicher zurückzubringen.“

 Organisationen bewegen sich nicht in stabilen und vorhersehbaren Welten. Sie agieren in einem Strom von Ereignissen, die oft widersprüchlich, mehrdeutig und überraschend sind. Inmitten dieser Dynamik entstehen zwei essenzielle Fähigkeiten, die Organisationen befähigen, handlungsfähig zu bleiben: die Kunst der Sinnproduktion und die Anwendung von Selektionsstrategien. Sinnproduktion – oder „Sensemaking“ – ist der Prozess, in dem Organisationen aus einer Vielzahl von Beobachtungen ein gemeinsames Verständnis entwickeln. Es geht weniger darum, eine absolute Wahrheit zu finden, sondern vielmehr um das Schaffen einer lebendigen Erzählung, die Orientierung bietet. Niklas Luhmann beschreibt Sinn treffend als die „laufende Aktualisierung von Möglichkeiten“. Sinn entsteht dabei retrospektiv, wie Karl Weick ergänzt: durch das Beobachten, Deuten und Kommunizieren der erlebten Realität. Die Stärke einer Organisation liegt darin, Wahrnehmungen zu verknüpfen und daraus eine dynamische, anpassungsfähige Geschichte zu entwickeln. Doch dieser Prozess steht vor einer entscheidenden Herausforderung: der Flut an Informationen, die gleichzeitig verarbeitet werden müssen. Selektionsstrategien sind entscheidend, um die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken. Sie helfen Organisationen, Signale für Abweichungen frühzeitig zu erkennen und relevante Informationen vom Unwichtigen zu unterscheiden. Selektionsstrategien sind mehr als nur mentale Prozesse. Sie werden durch Rituale, Reflexionsräume und klare Kommunikationsstrukturen unterstützt. Musteranalysen können Trends und Abweichungen aufzeigen, Reflexionsgespräche bieten Raum für die gemeinsame Deutung von Beobachtungen, und Kommunikationsrituale stellen sicher, dass Informationen gebündelt und handlungsrelevant gemacht werden. Diese Praktiken ermöglichen es, Ressourcen effizient einzusetzen und Entscheidungen fundiert zu treffen. Sinnproduktion und Selektionsstrategien arbeiten Hand in Hand. Gemeinsam schaffen sie Orientierung in der Unsicherheit, indem sie individuelle Wahrnehmungen und deren Deutung zu einem flexiblen, kollektiven Verständnis verbinden. Sie geben Organisationen die Fähigkeit, auch in turbulenten Zeiten stabil und handlungsfähig zu bleiben. Wenn Organisationen diese Fähigkeiten aktiv gestalten, können sie nicht nur komplexe Situationen bewältigen, sondern auch ihre Resilienz langfristig stärken. Sie legen die Grundlage dafür, in einer Welt der Unvorhersehbarkeit erfolgreich zu bestehen.

 

„Sensemaking – Wie Organisationen unter Unsicherheit Sinn erzeugen“

„Stell dir einen grossen Topf voller Popcorn vor. Die Körner beginnen zu ploppen – mal hier, mal dort. Jedes Ploppen steht für eine Beobachtung, eine Wahrnehmung, ein kleines Detail aus dem Organisationsalltag. Einige Plopp-Geräusche sind laut, andere leise, manche überhören wir vielleicht. Die Herausforderung liegt nicht darin, jedes Korn einzeln zu analysieren, sondern darin, gemeinsam zuzuhören, Beobachtungen zu teilen und eine Geschichte darüber zu erzählen, was gerade passiert und was als Nächstes zu tun ist. Die Kunst der Sinnproduktion besteht darin, flexibel zu bleiben, unterschiedliche Eindrücke zusammenzuführen und das grosse Ganze im Blick zu behalten – auch wenn das Ploppen irgendwann leiser wird.“


Warum ist Sinnproduktion essenziell?

Organisationen agieren nicht in stabilen, vorhersehbaren Welten. Vielmehr bewegen sie sich in einem permanenten Strom von Ereignissen, die oft widersprüchlich, mehrdeutig und überraschend sind. Die Fähigkeit, aus diesen Eindrücken Sinn zu erzeugen – gemeinsam und strukturiert – ist daher überlebenskritisch.

  • Sinn ist ein dynamisches Konstrukt: Er entsteht nicht durch statische Pläne, sondern durch kontinuierliche Reflexion und Kommunikation.

  • Niklas Luhmann beschreibt Sinn als die „laufende Aktualisierung von Möglichkeiten“: Das bedeutet, dass Organisationen ihre Sicht auf die Welt ständig anpassen.

  • Karl Weick spricht von „Sensemaking“: Sinn entsteht retrospektiv, indem wir beobachten, deuten und miteinander sprechen.


Wie entsteht eine gemeinsame Geschichte?

  • Indem wir Beobachtungen und Eindrücke teilen.

  • Indem wir im Dialog bleiben, auch wenn die Situation unklar bleibt.

  • Indem wir offen sind für neue Informationen und uns nicht an eine einmal gefundene „Wahrheit“ klammern.


Sinnproduktion als gemeinsame Praxis:

Sinnproduktion ist keine individuelle Fähigkeit einzelner Führungskräfte. Sie ist eine kollektive Praxis, die bewusst gestaltet werden kann. Hier spielen Rituale, Reflexionsräume und Kommunikation eine entscheidende Rolle.


Organisationen, die ihre Sinnproduktion aktiv gestalten, schaffen nicht nur Orientierung, sondern auch Stabilität und Handlungsfähigkeit – selbst unter Druck.

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page